Alle gemeinsam Abschied nehmen von Yangjie Li. Für alle die dabei sein wollten, aber nicht konnten.

Nach einer sehr kurzen Nacht mit wenig Schlaf, macht sich der Muskelkater bemerkbar und beim Laufen, tuen meine Füße weh. Aber das hält mich nicht davon ab heute an der Gedenkminute für Yangjie Li in Dessau, am Seminarplatz – Platz des Lebens, teilzunehmen.

Überraschenderweise bekam ich einen Anruf von MDR, welches mich vorher interviewen wollte, weil ich wohl der einzig Chinese mit Deutschkenntnissen so kurzfristig verfügbar war. Aber aus welchen Gründen auch immer, ich erklärte mich gern bereit dazu. Danke an Mika für diese „Vermittlung“. Mehr zu diesem Interview und deren Inhalt verrate ich nicht, es wird morgen gesendet. Ich wurde danach von einem weiteren Presse-Team (ich glaube auch von MDR) gefragt, ob ich weitere chinesische Studenten kenne, die deutsch sprechen. Ich musste dies verneinen, denn die Studenten, die ich kenne sind längst wieder zurück in China oder anders wo, um das was sie in der Fachhochschule Anhalt gelernt haben umzusetzen und die Welt ein Stück besser zu machen.

Als ich gegen 10:30 Uhr dort ankam, war der Seminarplatz bereits gut gefüllt. Studenten mit gelben und weißen Blumensträuße waren zu sehen. Die, wie es sich später herausstellte, aus Köthen und Bernburg angereist sind, um Abschied zu nehmen. Jemand zündete eine weitere Kerze an und stellt diese zu den anderen Kerzen. Er war Barfuß unterwegs. Und er hatte eine dunkle Hautfarbe.

Gedenkminute.

Ebenso anwesend war der Oberbürgermeister von Dessau – Peter Kuras mit anderen „Offiziellen“. Unter anderem auch Vertreter der chinesischen Botschaft. Natürlich waren auch mehrere Pressevertretern am vor Ort um darüber zu berichten. Gegen 11:00 Ihr versammelten sich alle in einem Halbkreis in der Mitte des Seminarplatzes, während die Offiziellen ihre Rede hielten. Eine Chinesin übersetze die Rede ins Chinesische, damit die Studenten auch wirklich verstehen, was gesagt wurde. Es wurde über den Werdegang von Yangjie Li gesprochen, dass sie eine fleißige Studentin sei.

Vielen lauschten mit gesenkten Kopf und andere hatten Tränen im Gesicht. So, dass man auch eine Woche danach nicht begreifen konnte, warum es passierte.

Der Oberbürgermeister Peter Kuras sagte sinngemäß, dass er ihre Intelligenz, ihre Willensstärke und ihren Mut in einem fremden Land, in einer fremden Sprache zu studieren, sehr bewundere. Er sagt auch, dass die Stadt Dessau-Roßlau, Studenten aus aller Welt willkommen heißt und er hoffe, dass sich die ausländischen Studenten durch das schreckliche Verbrechen nicht verbarrikadieren, sondern weiterhin am Leben der Stadt teilnehmen sollen.

Während der Gedenkminute war es still. So, still ich das Geräusch der Blätter hören konnte, wenn sie im leichten Wind tanzten.

Nach OB Peter Kuras sprach ein Vertreter der chinesischen Botschaft – auf Englisch. Mein Englisch ist leider nicht so gut, dass ich alles verstanden und auch behalten habe. Aber ich hoffe, dass die Rede von allen irgendwo im Internet zu finden sein wird.

Abschied nehmen.

Als die Offiziellen fertig waren, sprach eine Chinesin am Mikro, dass die Studenten aus Köthen und Bernburg sich versammeln sollen. Man wolle Blumen am Fundort von Yangjie Li niederlegen und von ihr Abschied nehmen. Die Studenten waren sehr korrekt gekleidet. Fast so, wie auf einer Beerdigung. Ich kam mir mit meiner Lederjacke und Jeans schon fast so vor, als wäre ich fehl am Platz.

Wir marschierten also vom Campus, durch den Bahnhof zum Fundort. Mit meinem Muskelkater und Blasen an den Füße, tat mir jeder Schritt weh, aber ich wollte es unbedingt. Und ich bin sicher, andere die gestern am „Jogging in memory for Yangjie Li“ teilgenommen haben, haben auch Muskelkater und sind diesen Weg heute auch wieder gegangen. Kein Weg war heute zu weit. Und Vorher konnte ich es nicht. Nicht alleine. Aber im Kollektiv, mit anderen gemeinsam stark sein, begab ich mich zu der Stelle. Dort angekommen, legte einer nach den anderen einen Blumenstrauß nieder – dort wo bereits viele Bürger zuvor dies getan hatten – und verbeugten sich. Spätestens hier, konnten einige ihre Tränen nicht mehr zurück halten. Ich auch nicht.

Ich wusste nicht genau warum ich so fühlte. Ich habe nicht geweint, als mein Großvater Mitte April in China starb. Aber bei Yangjie Li, eine Person die ich nicht kenne, kann ich meine Tränen der Trauer kaum zurückhalten. Und das geht wohl anscheinen vielen so.

Fotos.

Reaktionen.

Auch mich nimmt es sehr mit …Laut ihrem Foto war sie sicherlich ein lebensfroher Mensch… Was sich da jemand erlaubt hat ist nicht mit Worten zu beschreiben .. Es ist die Hölle… Sie musste mit ihrem Leben bezahlen …wozu ??? Die Hölle durchleben jetzt leider die Familienangehörigen die Freunde…. Und wir als Stadt… Denn wir mussten es miterleben wie in Sekunden schnelle sich das Blatt einer jungen Frau gewendet hat .. Mein tiefstes Mitgefühl an all die die sie kannten … Ich hoffe sie verfolgt dieses ….. Und zeigt ihn zu erkennen das sie dann in Ruhe über die regenbogenbrücke fliegen kann … Auch ich habe eine Kerze hingestellt .. Man muss sie nicht kennen um Trauer zu zeigen… R.I.P

- Franzi - 19. Mai 2016

Mit großem Interesse habe ich Ihren Blog gelesen und mir liefen und laufen die Tränen. Es tut mir so unendlich leid was Yangjie zugestoßen ist und ich hoffe das ihr Mörder bald gefunden und gerecht verurteilt wird! Mein tiefes Mitgefühl an alle Hinterbliebenen :'(

- Bianka - 19. Mai 2016

Vielen Dank für diesen Artikel. Mich hat ihr Tod wirklich erschüttert. Ich hatte selber während meines Studiums mehrfach die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen. Ich weiß, wie aufregend und toll die Erfahrung sein kann, im Ausland zu studieren. Wie schrecklich, dass es für eine so junge und ambitionierte Frau so fürchterlich enden musste. Aus nichtigen Gründen ein Leben zerstört. Ich wünsche allen Freund*innen, Angehörigen und vor allem den Eltern alle Kraft dieser Welt.

- Ri - 19. Mai 2016

Vielen Dank für Deinen einfühlsamen und dennoch klaren Bericht, der in seiner Art alles anschaulich beschreibt – soweit sich das überhaupt in Worte fassen läßt. Jeder Mensch hat ein selbstverständliches Recht auf Leben. Und wenn ihm das genommen wird, dann kann ich nur sagen: Ich wünschte, dass der Mörder (sollte er denn gefasst werden) nach chinesischem Recht bestraft werden würde. Ich weiß, dass das natürlich nicht geschieht – aber bei vorsätzlichem, Mord sind die dt. Gesetze m.E. nicht hart genug. Meine ehrliche Anteilnahme gilt der Familie und den Freunden von Yangjie Li, die so brutal aus ihrem jungen Leben gerissen wurde und einfach darum gebracht wurde Ihr Leben …. zu leben 🙁 Sie hätte sicher gerne beruflich einiges bewegen wollen – sonst hätte sie nicht fern der Heimat, der Familie und der Freunde so lange hier in Deutschland studiert. Auch hätte sie später sicher gerne eine Familie gründen wollen. Und innerhalb kürzester Zeit wird ihr Leben einfach …. ausgelöscht … Da ich sie nicht kannte, kann ich nicht viel mehr über sie sagen. Nur das interpretieren, was ihr veröffentlichtes Foto vermittelt. Demnach war sie eine lebensbejahende, positiv denkende junge Frau, die sicher durch ihre sympstische Ausstrahlung auch unter ihren Mit-Studenten und Dozenten schnell Freunde gefunden hat. Meine ehrliche Anteilnehme und meine Erziehung verbieten mir, dass in Worte zu fassen, was ich diesem elenden Mörder wünsche …. So bleibt mir nichts weiter als meine tiefe Verachtung für ihn auszudrücken … Es ist schon ein unertrglicher Gedanke, sein eigenes Kind zu überleben. Und dann noch zu wissen, auf welche Weise …. Schlimmeres kann ich mir als Vater von zwei Kindern nicht vorstellen …. In ehrlicher Anteilnahme und tiefer Trauer schliesse ich meinen Beitrag nun.

- Ingo, 48, Berlin - 19. Mai 2016 | 22:07 Uhr

Yangjie hatte ein so kurzes Leben, das ihr auf so schreckliche Weise genommen wurde. Das Foto mit ihr bei ihrem Hobby Holzschnitt zeigt sie als eine fröhliche, uns zugewandte junge Frau, die sich ihres Lebens freut. Jemand hat ihr das Lebensglück nicht gegönnt, sie zerstört. Es ist wichtig, ihrer zu gedenken, so wie aller, denen Lebensperspektiven genommen werden in dieser Zeit, in der Brutalität, Hass, Radikalität und Unverständnis so dramatisch zunehmen. Dagegen müssen wir uns wehren. Ich hoffe, es kann dieser Tat noch Gerechtigkeit widerfahren. Mein Mitgefühl ihren Eltern, die ihr Kind auf diese Weise wiedersehen müssen.

- Ajiate - 19. Mai 2016

Ich habe des Öfteren in Dessau gearbeitet und bin so erschüttert, dass ich kaum in Worte fassen kann, was ich empfinde, sobald ich daran denke, was dieser auf dem Foto so wunderbar lächelnden jungen Frau zugestoßen ist. Jedes gewaltätige Vergehen an einem Mitmenschen ist für mich unverständlich, unnötig und verursacht Leid und Schmerz bei Familie, Verwandten, Freunde*innen, nicht zu vergleichen mit dem unsagbaren Leiden der Opfer. Dies kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Mein tiefstes Mitgefühl aus, all denen die sie kannten. Hoffen wir auf Gerechtigkeit.

- Viola Rieck - 20. Mai 2016

Lieber Jing Zhou, ich bin tief betroffen über das schreckliche Verbrechen, das an Yangjie Li in meiner Heimatstadt Dessau begangen wurde. Ich bin hier geboren worden und aufgewachsen und habe hier bis auf meine Studienzeit bis heute hier gelebt. Das wird auch trotzdem so bleiben. Allerdings durchlebe ich durch diesen Mord gerade sehr widersprüchliche Gefühle. Das Theater, das sich in unmittelbarer Nähe zum Fundort von Yangjie befindet, ist seit vielen Jahren meine Arbeitsstätte. Meine eigene Familie wohnt nur wenige hundert Meter von dort entfernt, ich habe oft in der Gegend zu tun. Diese Tat macht mehr als deutlich, dass manchmal eine zufällige Begegnung, eine Anwesenheit zur falschen Zeit am falschen Ort, dem eigenen Leben eine ungeahnte, gefährliche oder sogar lebensbedrohliche Wendung geben kann. Da fühlt man sich ein Leben lang sicher an einem vertrauten Ort und dann wird dieses Urvertrauen von einem Augenblick zum nächsten durch solch eine Tat vernichtet. Ich möchte an dieser Stelle der Familie, den Angehörigen, Freunden,Studienkollegen und allen anderen Betroffenen von Yangjie mein ehrlich empfundenes tiefes Beileid ausdrücken. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand den Mut aufbringt, so weit weg von zu Hause eine Zukunft aufzubauen und dann so fern der Heimat durch so eine Tat ausgelöscht wird, empfinde ich das als unfassbare Tragödie, die eigentlich nicht in Worte gefasst werden kann. Ich verfolge natürlich die Berichterstattung in den Medien. Und dass das familiäre Umfeld des Tatverdächtigen zur Dessauer Polizei gehören soll, war der nächste Schock nach diesem Verbrechen. Alle bisher beschriebenen Indizien zu den Tatverdächtigen im Zusammenhang mit dem Verbrechen habe ich fassungslos zur Kenntnis genommen. Das kann doch echt nicht wahr sein. Ich hoffe sehr, dass diese Tat umfassend aufgeklärt werden kann und der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Und ich hoffe sehr, dass, sollten die beiden die Tat nachweislich begangen haben, die beiden NICHT nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, weil vielleicht auf Grund des Alters und der „Reife“ der beiden das Erwachsenenstrafrecht nicht zur Anwendung kommt. Denn das wäre ein Skandal. Auch bin ich wütend, dass meine Heimatstadt Dessau durch diesen Mord in ihrem Ansehen und ihrer Aussenwirkung beschädigt wurde. Ich hoffe sehr auf eine der Tat angemessene harte Strafe. Aber noch mehr hoffe ich, dass die Angehörigen von Yangjie die Kraft finden, diese Situation durchzustehen und irgendwann vielleicht wieder zu einer relativen Ruhe kommen können, sofern das unter diesen Umständen möglich ist. In tiefer Verbundenheit Petra S.

- Petra Stein - 27. Mai 2016

Es ist für mich einfach unfaßbar, dass so ein Verbrechen in meiner Heimat- und Geburtsstadt geschehen konnte. Mein tiefstes Mitgefühl gilt den hinterbliebenen Eltern Yangjie´s sowie den Verwandten und Freunden. Es gibt nichts schlimmeres, als sein Kind auf so tragische Weise zu verlieren. Hoffen wir, dass die Verursacher dieses Verbrechens schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

- Hella Gaudich - 28. Mai 2016

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